Gewalt gegen Polizisten und Retter nimmt zu

Hessen.Sie wollen helfen, schlichten oder auch Verbote durchsetzen: Angriffe auf Polizisten, Feuerwehrleute und Sanitäter in Hessen haben in den letzten Jahren zugenommen. Über den Hauptgrund dafür sind sich Innenminister Beuth und die Gewerkschaft der Polizei einig ...

VON BERNADETTE WINTER

Wiesbaden - Ob in Fußballstadien, Innenstädten, auf Volksfesten oder Autobahnen: Polizisten, Feuerwehrleute und Rettungssanitäter sehen sich in Hessen immer häufiger körperlicher Gewalt ausgesetzt. Rein statistisch gesehen kam es im Jahr 2019 pro Tag zu fünf bis sechs Übergriffen alleine auf Polizisten. Insgesamt wurden 2052 derartige Gewalttaten erfasst, wie aus der Antwort des hessischen Innenministeriums auf eine Landtagsanfrage der AfD-Abgeordneten Dirk Gaw und Klaus Herrmann hervorgeht.

Damit stieg diese Zahl zwar im Vergleich zu 2018 nur leicht an, in jenem Jahr waren 2041 Angriffe auf Polizisten gezählt worden. Allerdings sind im Jahr 2019 etwa 300 Übergriffe mehr registriert worden als noch fünf Jahre zuvor. Gleichzeitig nimmt die Zahl der Polizeibeamten zu, die Opfer von Gewalt wurden. Knapp 4100 Beamte waren es 2019, im Jahr 2014 hatte diese Zahl noch bei 3207 gelegen.

Auch Sanitäter und anderes Rettungspersonal war im vergangenen Jahr häufiger Gewalt ausgesetzt als in den Jahren zuvor. So stieg die Zahl der Angriffe auf Rettungsdienste von 41 im Jahr 2014 auf 84 in den beiden vergangenen Jahren. Insgesamt wurden demnach 115 beziehungsweise 112 Angehörige des Rettungsdienstes Opfer körperlicher Angriffe - die Zahl liegt höher als die Zahl der Taten, da in einigen Fällen mehrere Menschen bei ein und demselben Zwischenfall angegriffen wurden. Bei den Feuerwehrleuten stiegen die Fallzahlen binnen fünf Jahren von vier auf 13 (Jahr 2019).

Als Gründe für die Zunahme der Gewalt führt Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) unter anderem fehlenden Respekt und Achtung an. Was die Rettungskräfte betrifft, so ging "in den meisten Fällen die Gewalt von den Patienten selbst aus", die sich gegen ihre Versorgung wehrten. Meist seien hier Alkohol, Drogen oder psychische Erkrankungen im Spiel gewesen. Angriffe auf Polizeibeamte seien ebenfalls auf Alkoholisierung, aber auch auf ein anderes Rechtsverständnis, mangelnde Werteorientierung, psychische Ausnahmesituationen oder Imponiergehabe in der Gruppe zurückzuführen. "Darüber hinaus kann auch eine geringe Verurteilungswahrscheinlichkeit ursächlich sein", wie Beuth darlegt. Sprich: Ein Täter glaubt nicht, dass er später für seine Tat zur Verantwortung gezogen oder spürbar bestraft wird.

Beuth hatte sich wiederholt für härtere Strafen eingesetzt. So sollten seiner Ansicht nach mindestens sechs Monate Haft für Angriffe auf Einsatzkräfte verhängt werden. Derzeit gilt eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Monaten. "Auf Übergriffe gegen Einsatzkräfte müssen unmissverständliche Verurteilungen folgen", sagte Beuth "Wenn die Täter nicht mehr mit einer Geldstrafe davonkommen, wird eine klare rote Linie gezogen."

Eine Polizeistudie habe gezeigt, dass neun von zehn Schutzpolizisten schon mindestens einmal angegriffen wurden. "Diese Angriffe hinterlassen bei den Kolleginnen und Kollegen nicht nur körperliche Spuren", erklärte Beuth. "Für jeden zweiten Polizeibeschäftigten, der einmal Opfer eines Angriffs wurde, sind diese Erlebnisse sehr belastend."

"Der Respekt ist gesunken"

Auch der hessische Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Grün, meint: "Der Respekt der Bürger gegenüber der Polizei ist gesunken." Es werde alles infrage gestellt. Vielen falle es zunehmend schwer, einen Konflikt verbal auszutragen, ohne dabei in den Bereich der Nötigung oder Bedrohung zu kommen, sagte Grün.

Grün zufolge geht daher der Eigenschutz der Beamten vor, allerdings leide darunter die Bürgernähe. Polizisten, die mit Schutzwesten, Pfefferspray oder Schlagstöcken ausgestattet, aufträten, schafften eine gewisse Distanz.

"Die Grundeinstellung zur Polizei müsste besser werden", sagte Grün, etwa durch Präventionsarbeit an Schulen oder in Vereinen. Ob Gewalt gegen Einsatzkräfte entstehe, sei auch eine Frage der Stärke, erklärte der GdP-Landesvorsitzende. Sehe sich jemand vier statt zwei Polizisten gegenüber, werde er schneller beschließen, friedlich zu bleiben. Allerdings sei das aufgrund der Personalsituation häufig nicht umsetzbar. Um Polizeibeamte im Streifendienst besser zu schützen, setzt das Land Hessen vermehrt auch auf Bodycams. Sie sind auf der Schulter von Beamten befestigt und filmen während eines Einsatzes mit. Nach den bisherigen Erfahrungen der Polizei haben die Bodycams eine deeskalierende Wirkung.

Härtere Strafen bei Angriffen

Wer einen "Vollstreckungsbeamten" angreift, dem droht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Das gilt auch für Angriffe auf Feuerwehrleute, Katastrophenschützer oder Einsatzkräfte der Rettungsdienste. Wer sie bei ihrer Arbeit mit Gewalt oder durch Gewaltandrohung behindert, muss mit bis zu drei Jahren Haft oder einer Geldstrafe rechnen.

Auch Angriffe auf medizinisches Personal in Notaufnahmen sollen nach einem Beschluss der Bundesregierung so hart bestraft werden wie Angriffe auf Polizisten und Soldaten. Die betreffenden Paragrafen 113 bis 115 im Strafgesetzbuch sollen dafür auf "medizinisches Personal von ärztlichen Notdiensten und Notfallambulanzen" erweitert werden. lhe

Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.