Einsatzkräfte in Hinterhalt gelockt

Dietzenbach. Eine massive Attacke mit Steinen gegen Feuerwehrleute und Polizisten hat am Freitag in Hessen Entsetzen ausgelöst. Die Einsatzkräfte waren in Dietzenbach im Kreis Offenbach in einen Hinterhalt gelockt und dann attackiert worden ...

GEWALT 50 Männer in Dietzenbach bewerfen Polizisten und Feuerwehrleute mit Steinen

Verletzt wurde nach ersten Erkenntnissen niemand. Den Angaben zufolge wurden zunächst auf einem Parkdeck Mülltonnen und ein Bagger angezündet, um Einsatzkräfte zu alarmieren. Als die Helfer am frühen Freitagmorgen eintrafen, wurden sie von etwa 50 Männern mit Steinen beworfen. Zwei Stunden brauchte die Polizei, um den Krawallmachern Einhalt zu gebieten.

Nach den Worten von Innenminister Peter Beuth (CDU) könnte der Angriff womöglich mit einer größeren Polizeiaktion Anfang der Woche zusammenhängen. Beamte hatten in einem Hochhaus in mehreren Kellern unter anderem über 200 Fahrräder sichergestellt, mutmaßlich Diebesgut. "Es ist nicht völlig ausgeschlossen, dass es am Ende einen Zusammenhang gibt zu Straftaten, die vorher begangen worden sind und wo es eine entsprechende Polizeiaktion gegeben hat", sagte Beuth in Wiesbaden. Einzelheiten müssten jedoch erst noch ermittelt werden. Auf einen politischen Hintergrund gebe es keine Hinweise, sagte der Minister. Nach den Worten eines Polizeisprechers in Dietzenbach ist das Motiv noch offen.

Dietzenbachs Bürgermeister Jürgen Rogg (parteilos) sprach von "Hinterhältigkeit und Feigheit". "Man hat Steinhaufen gefunden, man hat Brandbeschleuniger gefunden", sagte er. Stadtbrandinspektor Michael Plahusch berichtete, man sei von der Attacke völlig überrascht worden. Kurz nach Beginn der Löscharbeiten an einem brennenden Bagger seien die Steine neben den Feuerwehrleuten eingeschlagen. Zu Hilfe eilende Polizisten hätten die Brandbekämpfer mit ihren Schilden decken müssen. Kurz darauf habe ein Schuttcontainer hinter einem Hochhaus gebrannt. Die Einsatzkräfte hätten schnell eingreifen müssen, denn die Flammen drohten auf das Wohnhaus überzugreifen.

Innenminister Beuth sagte: "Wir haben leider eine hinterhältige Tat zu beklagen, eine Gewalttat, die ich aufs Schärfste verurteile." Er fügte hinzu: "Ein Dutzend Einsatzwagen wurden beschädigt, da grenzt es an ein Wunder, dass kein Helfer verletzt wurde." Beuth kündigte an, die Polizeipräsenz in Dietzenbach und Umgebung deutlich zu erhöhen. "Wir werden dafür sorgen, dass der Staat für Recht und Ordnung sorgt."

Hoher Sachschaden

Drei Männer wurden laut Polizei vorläufig festgenommen. Zwei von ihnen hätten den Einsatz gestört und seien Platzverweisen nicht gefolgt, der Dritte sei ein mutmaßlicher Steinewerfer. Der Sachschaden beläuft sich laut Polizei auf mindestens 150 000 Euro.

Beuth erinnerte daran, dass erst vor wenigen Tagen eine Polizistin in Frankfurt mit einem 20 Kilo schweren Blumenkübel angegriffen worden und nur mit großem Glück unverletzt geblieben sei.

Hessen mache sich schon länger für eine Strafverschärfung bei Angriffen auf Einsatzkräfte stark, betonte der Minister. Die Täter dürften nicht mehr mit einer Geldstrafe davonkommen, sondern müssten mit einer Haftstrafe bestraft werden, forderte er und kündigte an, das Thema bei der nächsten Innenministerkonferenz auf die Tagesordnung setzen zu lassen.

Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft forderte eine konsequentere Strafverfolgung. "Es schreckt keinen Straftäter ab, wenn sein Verhalten von überlasteten Gerichten anschließend als Bagatellfall abgehandelt wird", erklärte der Sprecher Tobias Thiele.

Hinterhalte gegen Einsatzkräfte sind nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei kein Einzelfall. "Das beobachten wir schon länger", sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei in Hessen, Andreas Grün. Dass gleich eine Gruppe von rund 50 Angreifern Beamte attackiert, sei aber nicht alltäglich.

"Die Gewaltbereitschaft gegenüber Einsatzkräften ist leider mittlerweile zu einem Dauerthema geworden", erklärte der Präsident des hessischen Landesfeuerwehrverbandes, Ralf Ackermann. "Aber dieses Ausmaß hat eine neue Dimension angenommen."

Immer mehr Angriffe auf Beamte

Gewalt gegen Polizisten in Deutschland kommt zunehmend vor. Wie das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden berichtete, stieg die Zahl der Fälle und Opfer im vergangenen Jahr deutschlandweit. Dabei geht es um den Sachverhalt "Widerstand gegen und tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte und gleichstehende Personen". Im Vergleich zum Vorjahr (2018) wurden im Jahr 2019 in15 Bundesländern mehr Fälle von tätlichen Angriffen registriert. Nordrhein-Westfalen hat als einwohnerstärkstes Bundesland den höchsten absoluten Anstieg (+816 Fälle) zu verzeichnen, Hessen vermeldete den höchsten prozentualen Anstieg (+132,3 Prozent). Insgesamt waren es 704 Fälle (im Jahr 2018: 303 Fälle).lhe

Ein unfassbarer Angriff auf unseren Rechtsstaat

KOMMENTAR VON CHRISTIANE WARNECKE

Hessens oberster Ordnungshüter hat es treffend formuliert: "Wer Einsatzkräfte angreift, gehört in den Knast." Mit diesen markanten Worten dürfte Innenminister Peter Beuth gestern vielen Menschen aus der Seele gesprochen haben, die erfahren haben, was in der Nacht zuvor in Dietzenbach passiert ist.

Dass Rettungskräfte immer häufiger in Notsituationen und emotionalen Ausnahmezuständen angegriffen werden, ist schlimm und durch nichts zu rechtfertigen. Dass aber eine Gruppe von 50 Leuten vorsätzlich plant, Polizisten und Feuerwehrleute anzugreifen, und sie mit selbst gelegten Bränden anlockt, ist perfide und einfach unfassbar.

Nun ist das Spessartviertel in Dietzenbach - früher Starkenburgring - schon seit Jahrzehnten einer der bekanntesten und berüchtigtsten sozialen Brennpunkte in Hessen. Kaum jemand, der nicht dort wohnt, geht freiwillig in der Hochhaussiedlung spazieren - erst recht nicht nachts. Und auch für die Polizei gehört das Viertel zu den Zielen, wo es oft Konflikte gibt und in der Silvesternacht immer wieder Raketen in Richtung von Polizeibeamten geschossen werden. Was in der Nacht zum Freitag geschah, übertrifft aber alles, was bisher auch im Spessartviertel vorstellbar war.

Es ist sehr beunruhigend, dass offenbar so viele Menschen unter uns leben, die jeglichen Respekt vor unserer rechtsstaatlichen Demokratie verloren haben. Ja, die sie sogar gezielt attackieren. Und das gilt keineswegs nur für Menschen, die in ihren Herkunftsländern die Polizei vielleicht nicht als Freund und Helfer, sondern als Aggressor erlebt haben. Das gilt auch für immer mehr Deutsche - wie das Erstarken der Rechtsextremen und Gruppierungen wie der Reichsbürger zeigt.

So müssen neben Polizisten und Rettungskräften auch Politiker zunehmend um ihre Sicherheit fürchten. Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, der sich am kommenden Dienstag jährt, ist ein mahnendes Beispiel dafür.

Gegen solche brutalen Strömungen muss der Staat mit aller Härte vorgehen. Und obgleich in Dietzenbach niemand verletzt wurde, ist die Forderung berechtigt, dass auf solche Taten Haftstrafen folgen müssen, keine Geldstrafen.

Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.