In Hessen wird weiterhin freiwillig gelöscht

WIESBADEN. Die Gemeinde List auf Sylt hatte jahrelang eine, ebenso verschiedene Kommunen in Schleswig-Holstein, Helsa in Nordhessen hatte mehrere Monate lang eine, die rheinland-pfälzische Gemeinde Altenbamberg (Landkreis Bad Kreuznach) bekommt demnächst eine: Die Rede ist von Pflichtfeuerwehren ...

Warum zwischen Bad Karlshafen und dem Odenwald derzeit keine „Pflichtfeuerwehren“ drohen / Anders als in anderen Bundesländern

Von Sascha Kircher

Die Einrichtung einer solchen droht, wenn eine Kommune den Brandschutz über eine Freiwillige Feuerwehr mit ausreichender Einsatzabteilung nicht mehr gewährleisten kann. In Hessen ist dies in Paragraf 7 des Brand- und Katastrophenschutzgesetzes geregelt: „Soweit Freiwillige hierfür nicht zur Verfügung stehen, sind die erforderlichen Personen zum ehrenamtlichen Feuerwehrdienst nach § 10 Abs. 4 heranzuziehen.“

Einsatzabteilungen aufgrund von Streit aufgelöst

Betroffen davon sind „alle Einwohner vom vollendeten 18. Lebensjahr bis zum vollendeten 50. Lebensjahr“, die – mit bestimmten Ausnahmen – „bis zu einer Gesamtdauer von zehn Jahren zum ehrenamtlichen Dienst in der Gemeindefeuerwehr herangezogen werden“ können. Diese Regelung gilt für 416 der 421 hessischen Kommunen; die fünf Großstädte mit mehr als 100.000 Einwohnern – Frankfurt, Wiesbaden, Kassel, Darmstadt und Offenbach – unterhalten Berufsfeuerwehren. Für kleinere Kommunen mit deutlich schmalerem Budget ist dies meist völlig unrealistisch.

Bisher erst in zwei Fällen wurde laut Innenministerium auf dieses letzte Mittel zurückgegriffen: In der Gemeinde Lindenfels (Kreis Bergstraße) wurde zwischen Juli 2003 und Mai 2004 im Ortsteil Seidenbuch eine Pflichtwehr einberufen. Zuvor hatte sich die Einsatzabteilung nach Konflikten mit der Kommunalpolitik aufgelöst. Kritisiert wurde damals von den Kameraden die „Arroganz“ der Politiker, die Belange der Feuerwehr nicht berücksichtigt und Fehler nicht revidiert hätten.

Streit gab es auch in Helsa (Landkreis Kassel). In der Gemeinde musste von Februar bis April 2021 eine Pflichtfeuerwehr eingerichtet werden, nachdem sich ein Großteil der Angehörigen der Einsatzabteilung aus Ärger über ein Mitglied zurückgezogen hatte. Der Streit war indes schnell wieder beigelegt, der Status wieder in den einer Freiwilligen Feuerwehr geändert. Heute sind laut Gemeinde 26 Frauen und 89 Männer in der Einsatzabteilung aktiv.

In vielen kleinen Kommunen sind die Feuerwehrvereine gewachsene Konstrukte. Eine Fusion der Wehren verschiedener Ortsteile oder gar über Gemeindegrenzen hinweg wird daher meist skeptisch gesehen, lässt sich aber angesichts des demografischen Wandels oft nicht vermeiden. Doch es gibt auch andere Gründe, warum die Tageseinsatzbereitschaft gefährdet ist: Weil ein Großteil der Feuerwehrangehörigen in Ginsheim-Gustavsburg (Landkreis Groß-Gerau) andernorts arbeitete, fürchtete man dort im Herbst 2019, dass tagsüber nicht ausreichend Kräfte zur Verfügung stünden. Also wurde diskutiert, Einwohner zum ehrenamtlichen Dienst in der Feuerwehr zu verpflichten. Eine Werbekampagne führte dazu, dass sich ausreichend freiwillige Feuerwehrleute meldeten. An der Nahe haben alle Versuche nicht gefruchtet: In Altenbamberg begann im Frühjahr die Musterung.

Pflichtfeuerwehr als letztmögliche Option

„Grundsätzlich sollte die Einrichtung einer Pflichtfeuerwehr durch die Kommune aus Sicht des Landes immer nur die letzte Möglichkeit sein, um den Brandschutz und die Allgemeine Hilfe innerhalb einer Gemeinde sicherzustellen“, sagt Marcus Gerngroß, Sprecher des hessischen Innenministeriums. Daher unterstütze man Städte und Gemeinden als „Aufgabenträger“: Neben Ausstattung und Ausbildung, für die im laufenden Jahr 46 Millionen Euro zur Verfügung stünden, helfe Hessen auch bei der Förderung des Ehrenamts. Gerngroß nennt verschiedene Projekte zur Nachwuchsgewinnung, außerdem die Arbeitgeberkampagne „1+1=2 – eine starke Verbindung“, das Projekt „Mehr Feuerwehr in die Schule“ und das Brandschutzerziehungskonzept.

Für die Kommunen habe das Land mit der „Landesoffensive Nachwuchsgewinnung“ ein Beratungsprogramm initiiert. Im ersten Schritt werden regionale Ehrenamtsmessen veranstaltet, zuletzt in Fulda, Kelsterbach (Landkreis Groß-Gerau) und Taunusstein (Rheingau-Taunus-Kreis). Darüber hinaus böten Mitarbeiter der Abteilung Brand- und Katastrophenschutz Beratungsgespräche vor Ort für Kommunen an, die sich in der Ehrenamtsförderung stärker engagieren wollen.

Nicht zuletzt gebe es höhere Anerkennungsprämien für langjährige Einsatzkräfte des Brand- und Katastrophenschutzes. Mit Erfolg: In Hessen blieb die Anzahl der Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehren in den vergangenen Jahren stabil, der Anteil weiblicher Feuerwehr-Angehöriger stieg sogar deutlich an.

Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.Hinweis: Verwendung der Artikel mit freundlicher Genehmigung der Nassauischen Neuen Presse.