Elektromobilität als Herausforderung

Berlin. Im Themenkomplex „Elektromobilität als Herausforderung“ beschäftigte sich der 11. Bundesfachkongress des Deutschen Feuerwehrverbandes in drei Vorträgen mit unterschiedlichen Aspekten der E-Mobilität ...

DFVBild: DFV

Den Auftakt bildete der Vortrag von Marcel Hommens vom Landesfeuerwehrverband Rheinland-Pfalz, in dem er sich mit den Herausforderungen bei schweren Verkehrsunfällen mit E-Fahrzeugen beschäftigte. „Mit der Erkundung muss bereits die Einsatztaktik angepasst werden“, riet Hommens. Sobald ein E-Fahrzeug im Unfallgeschehen festgestellt wird, sei es von elementarer Bedeutung, den Zustand der Akkus im Blick zu behalten. In den seltensten Fällen komme es zum worst-case, dem Thermal Runaway. „Versuchsreihen haben gezeigt, dass sich auch bei schweren Unfällen mit Beschädigung der Zellen kein Brand entwickeln muss“, betonte Hommens. Wenn dieser allerdings einträte, hätten es die Einsatzkräfte mit einer starken Rauchentwicklung sowie ggf. einer Stichflammenbildung zu tun.

Der erste Baustein, um sich nicht von einer solchen Eskalation überraschen zu lassen, sei die Erkundung und Informationsgewinnung. Wurde ein verunfalltes Fahrzeug als E-Fahrzeug erkannt, gelte es, Informationen zum Aufbau zu bekommen, „Hier brauchen wir einfach eine Rettungskarte“, führe Hommes aus. Die hierin enthaltenen Positionen der Akkus könnten nun mit einer Wärmebildkamera kontrolliert werden. Hierzu böten sich der Unterboden sowie der Fußboden des Innenraums an. Hierbei seien warme Spots zu beobachten.

Den zweiten Baustein bilde zusätzliches Personal und Material, das bereitgestellt werden sollte. Neben dem Trupp, der zu Personenrettung am Fahrzeug arbeitet, und dem Trupp zur Sicherstellung des Brandschutzes sollte ein weiterer Trupp mit Atemschutz, einem Lüfter sowie, sofern vorhanden, einer Respihood bereitstehen.

Würden im Rahmen der laufenden Überwachung der Akkus steigende Temperaturen festgestellt, könne es sinnvoll sein, zunächst eine Kühlung vorzunehmen, um den Prozess zu bremsen. Des Weiteren sollte frühzeitig mit dem Rettungsdienst die Lage besprochen und bewertet werden, um ggf. den Rettungsmodus rechtzeitig anzupassen. Sei der Thermal Runaway nicht mehr zu verhindern, kämen die im Baustein zwei genannten Mittel zum Einsatz. Während der Lüfter Frischluft in Richtung Patient und Einsatzkräfte drücke, würden die Arbeiten durch den Trupp unter Atemschutz übernommen. Gleichzeitig solle dem Patienten Luft über die Respihood zugeführt werden. „Ich muss mir keine Sorgen machen, dass ich mit dem Lüfter den Thermal Runaway beschleunige“, erläuterte Hommens.

„Letztlich stehen den Feuerwehren alle Mittel zur Abarbeitung solcher Lagen zur Verfügung; im Fall der Fälle muss allerdings die Taktik angepasst werden“, resümierte der Referent.

Christian Emrich, Branddirektor der Feuerwehr München, berichtete über den aktuellen Sachstand der Fachempfehlung zur Brandbekämpfung bei E-Fahrzeugen. Bei diesem Themenkomplex habe es aufgrund der sehr schnellen Entwicklung auf dem Fahrzeugmarkt mit den Fachempfehlungen aus 2018 und 2021 in schneller Folge Veröffentlichungen gegeben. „Wo wir bei den ersten Beratungen 2017/2018 noch von einem ,könnte kommen‘ sprachen, waren 2020/2021 die Einsätze schon da“, beschrieb Emrich die Dynamik der Entwicklung. Viel wurde in den vergangenen Jahren diskutiert, aber wie ist der Kenntnisstand 2023? „Wasser reicht zum Löschen aus. Die öffentlichen Feuerwehren benötigen keine gesonderten Gerätschaften wie Löschlanzen und ähnliches“, so die klare Botschaft Emrichs. Er appellierte, bei brennenden E-Fahrzeugen „nicht mehr und nicht weniger“ zu machen als früher. Aufgabe der Feuerwehr sei die Brandbekämpfung sowie die Personenrettung. Nach erfolgten Löschmaßnahmen riet er zu einer sauberen Übergabe an ein Abschleppunternehmen. „Diese haben sich über die Jahre darauf eingestellt und Kompetenzen aufgebaut“, so Emrich.

Er sah die wesentliche Herausforderung bei der Elektrifizierung auch nicht auf der Straße: „Die Akkus auf der Straße sind die sicherersten Akkus, die wir im Umlauf haben“, erklärt Emrich. Egal, ob es sich um Fahrzeuge mit konventionellem Antrieb oder um E-Antrieb handele, insbesondere bei Fahrzeugbänden in Gebäuden und Tiefgaragen sei auf Grund der hohen thermischen Belastung Aufmerksamkeit geboten. Zum einen seien die ersten Maßnahmen so schnell und so konsequent wie möglich vorzutragen, zum anderen sei die Statik des Gebäudes ein großes Thema. „Neben der Kühlung von Bauteilen ist die Beurteilung von außen, insbesondere auf Basis der Dauer der Brandbeaufschlagung, unerlässlich“, so der Experte.

Sein Credo zum Ende: „Es brennt etwas anders, aber die taktischen und technischen Mittel sind dieselben. Der Fokus ist auf die taktischen Varianten zu legen.“

Einen anderen Blickwinkel auf die Themenwelt bot Rainer Kunze von der Feuerwehr Hannover. Er berichtete über die ersten Schritte der Umstellung von Einsatzfahrzeugen auf E-Fahrzeuge in der Region Hannover. Grundlage war der Auftrag, Einsatzfahrzeuge in der Gewichtsklasse bis 5,5 Tonnen, soweit ein brauchbares Produkt am Markt erhältlich ist, auf E-Mobilität umzustellen.

Hierzu sei die Feuerwehr Hannover in mehreren Stufen vorgegangen. Zunächst seien die relevanten Fahrzeugtypen identifiziert worden; in diesem Fall Fahrzeuge der Verwaltung, der Logistik, Kommandowagen sowie Rettungswagen. Im nächsten Schritt seien die Fahrprofile sowie die Betriebsphasen erhoben worden, also die gefahrenen Kilometer, die Fahrdauer in Stunden sowie den Rhythmus aus Stand- und Fahrzeiten. Auf dieser Basis sei ein Abgleich mit möglichen Produkten am Markt gemacht worden. Während Fahrzeuge der Verwaltung einfach ersetzt werden konnten, hätten sich bei Einsatzfahrzeugen zusätzliche Herausforderungen gestellt. Spezielle Auf- und Ausbauten für Kommunikation, Sondersignal, Ladevorrichtungen und Beleuchtungseinrichtungen hätten nicht ohne weiteres umgesetzt werden können. Während es bei konventionell betriebenen Fahrzeugen Linien für Behördenfahrzeuge gebe, sei dies bei der elektrischen Produktfamilie noch nicht gegeben. Hierüber hinaus gäben einige Hersteller das bestehende zwölf Volt Bordnetz nicht für Fremdnutzer frei. Als Konsequenz hieraus hätten in Hannover für die Kommandowagen gesonderte Stromversorgungen mit externer Ladung verbaut werden müssen.

Das größte Projekt habe aber der Prototyp eines elektrogetriebenen Rettungswagens dargestellt. „Hierfür wurde ein bewährter Rettungswagen in Kooperation mit Spezialausstattern von Diesel- auf Elektroantrieb umgerüstet“, berichtete Kunze. Als Ladeinfrastruktur seien an den entsprechenden Wachen Einrichtungen geschaffen worden. Des Weiteren wurden in den umliegenden Krankenhäusern des Ausrückebereichs bei den Notaufnahmen Ladesäulen installiert. Im aktuellen Testbetrieb habe so im Einsatzbetrieb ein durchgängiger Akkustand zwischen 40 und 80 Prozent erreicht werden können.

Insgesamt fiel das Fazit zu den bisherigen Erfahrungen der Feuerwehr Hannover aus der Nutzung der Fahrzeuge positiv aus, wobei alle Fahrzeuge nur für den Nahbereich vorgesehen seien. „Die Themenstellungen zu entweder weit entfernten oder lange andauernden Einsätzen ist noch weiter zu behandeln. Als erster Baustein befindet sich eine mobile E-Ladestelle in der Beschaffung“, so der Experte.

Auf der anderen Seite stünden nach wie vor Restriktionen in der Produktpalette: ein höheres Fahrzeuggewicht sowie höhere Kosten. „Hier muss man immer schauen, was an Förderung möglich ist“, sagte Kunze. Muss man sich also jetzt mit dem Thema auseinandersetzen? Kunze sah hier eine Parallele zum Euro VI Diesel und der damals zögerlichen Einführung bei den Feuerwehren. „Es ist meine Prognose für die nächsten zwei Dekaden, dass sich die Produkte der Industrie ändern werden. Gewisse Produkte wird es nicht mehr mit dem bisherigen Diesel geben“, so seine Einschätzung.

Quelle: Deutscher Feuerwehrverband e. V. (DFV)