Rettung aus höchster Not

News der Nassauischen Neue PresseBad Homburg. Ab 23 Metern Höhe wird es schwierig mit der Menschenrettung aus brennenden Häusern. Dank eines neuen Sprungkissens gibt es jetzt bei Sprüngen aus bis zu 60 Metern Höhe Überlebenschancen. Doch zu springen kostet sicherlich Überwindung ...

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Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.

Homburger Wehr hat neues Sprungkissen für Hochhäuser – als bisher einzige in Deutschland

Von Anke Hillebrecht
20 Meter können ziemlich viel wirken, wenn man aus dieser Höhe springen muss – und das 8,50 mal 6,50 Meter große Kissen ziemlich klein. Bei der Demo-Vorführung vom Übungsturm der Homburger Feuerwache musste nur eine Puppe das neue Sprungkissen austesten. Foto: Jochen ReichweinBild:  20 Meter können ziemlich viel wirken, wenn man aus dieser Höhe springen muss – und das 8,50 mal 6,50 Meter große Kissen ziemlich klein. Bei der Demo-Vorführung vom Übungsturm der Homburger Feuerwache musste nur eine Puppe das neue Sprungkissen austesten. Foto: Jochen Reichwein

Rauch dringt über die Balustrade. Irgendwo dort oben im vierten Stock schreit ein Mann herzerweichend. «Bleiben Sie ruhig», ruft ein Feuerwehrmann von unten ins Megafon. Was gestern zum Glück nur eine Übung in der Feuerwache war, kann schnell Realität werden.

Ein bis zwei Einsätze in Hochhäusern hat die Homburger Wehr jedes Jahr. Doch wenn Menschen oberhalb von 23 Metern von Feuer eingeschlossen sind, stießen die Retter mit ihren Drehleiter-Fahrzeugen bislang an ihre Grenzen, wie Homburgs Feuerwehr-Chef Daniel Guischard erläuterte.

Künftig aber kann die Bad Homburger Wehr auch Menschen aus den 21 Häusern der Kurstadt, die zwischen 22 und 56 Metern hoch sind, oder den Hochhäusern der umliegenden Städte retten. Als erste Wehr in Deutschland nahm sie gestern ein 2010 auf den Markt gekommenes Sprungkissen in Betrieb. Es lässt Opfer überleben, die aus einer Höhe von bis zu 60 Metern springen. Das entspricht dem 25. Stockwerk. Kostenpunkt: 20 000 Euro.

Kissen ist 3,50 Meter dick

Bereits aus 25 Metern würde ein solcher Sprung enorme Überwindung kosten – das wird beim Blick vom Übungsturm der Wache in der Dietigheimer Straße deutlich. In Windeseile rollen unten sieben Brandbekämpfer das Kissen, das optisch an eine Hüpfburg erinnert, auf und beginnen, es mittels zweier Überdruck-Belüftungsgeräte mit Luft zu füllen. Jedes der Geräte, die auch zur Rauch-Entlüftung genutzt werden, hat eine Leistung von 43 400 Kubikmetern die Stunde und wird von einem Vier-Takt-Motor bei 3900 Umdrehungen pro Minute angetrieben.

«Springen Sie nur auf Kommando», ruft der Feuerwehrmann mit dem Megafon jetzt. Auch wenn es aus Opfer-Sicht länger wirkt – in 80 Sekunden ist das Sprungkissen so hoch wie ein Fachwerkhäuschen und bereit. 3,50 Meter dick, 8,50 mal 6,50 Meter breit – von oben wirkt das nicht so groß. «Sprung! Sprung! Sprung!», ertönt aus dem Megafon. Jetzt wäre der Moment, in dem sich die von Flammen umzingelte Person im Hochhaus einen Ruck geben müsste. Tatsächlich fällt eine Puppe aus dem vierten Stock des Übungsturms und landet leblos-schlapp auf dem Kissen.

Mit dem Gesäß zuerst

Die Opfer aber würden überleben, wie Guischard beteuerte. Durch ein Zwei-Kammer-System werde der Aufprall besser verzögert als bei einem einfachen Luftkissen. Der Boden habe keine Nähte, durch die sich der Fallende verletzen könne. Am wenigsten Verletzungen ziehe sich das Opfer zu, wenn es waagerecht auf dem Kissen aufkomme, erläuterte der Feuerwehr-Chef – weil der Aufprall dann auf möglichst viele Punkte verteilt werde. Guischard: «Idealerweise springt man ohne Schuhe und mit dem Gesäß zuerst.» Harren weitere Opfer im Hochhaus aus, dauert es 20 Sekunden, bis das Kissen wieder prall genug für den nächsten Sprung ist. Das Kissen kann übrigens auch aufgebaut werden, wenn vorm Hochhaus Autos parken. Es wird einfach darüber ausgerollt. (ahi)

Artikel vom 16. März 2011, 22.00 Uhr (letzte Änderung 18. März 2011, 04.02 Uhr)