Auflösung 1934

Der Nassauische Feuerwehrverband im Nationalsozialistischen Reich

Einladung zum außerordentlichen Verbandstag am Sonntag, den 15.04.1934, morgens um 10:45 Uhr in Weilburg a.d. Lahn - zum Vergrößern klickenBild links: Einladung zum außerordentlichen Verbandstag am Sonntag, den 15.04.1934, morgens um 10:45 Uhr in Weilburg a.d. Lahn (zum Vergrößern auf Bild klicken)

Die Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wirkte sich einschneidend auf den Nassauischen Feuerwehrverband aus. Bis 1932 hatten die Freiwilligen Feuerwehren den erforderlichen Nachwuchs stets durch freiwillige Meldungen bekommen. Das änderte sich, nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren und überall parteieigene Formationen aufgestellt wurden. Die Folge war, dass nicht nur die Nachwuchskräfte ausblieben, sondern auch viele Männer die Feuerwehr verließen, was zu akutem Personalmangel führte. Hinzu kamen Geringschätzung und Missachtung, die den Feuerwehren von den Parteiformationen gab in jenen Jahren ein zähes Ringen zwischen der NS-Ideologie und der Eigenständigkeit der Feuerwehr, das oft in erbittertem Kleinkrieg endete. Am 15. Dezember 1933 wurde das „Preußische Feuerschutzgesetz" erlassen, durch das die Stellung der Feuerwehr im öffentlichen Leben neu geregelt wurde. Berufsfeuerwehr und Freiwillige Feuerwehr bezeichnete man im Gesetz als "Polizeiexekutive besonderer Art" und unterstellte sie den Ortspolizeiverwaltern. Die Freiwilligen Feuerwehren sollten gleichzeitig als rechtsfähige Vereine in das Vereinsregister eingetragen werden. Aufgrund der neu eingeführten Altersgrenze von 60 Jahren und der Überprüfung der politischen Einstellung schieden viele Führungskräfte zwangsweise aus dem aktiven Dienst.

Der scheidende Verbandsvorsitzende Fritz Kahl schreitet die Reihen der angetretenen Feuerwehren am 15. April 1934 in Weilburg/Lahn ab.  Dies war der letzte öffentliche Auftritt des Verbandes bis zur Wiedergründung 1948Bild rechts: Der scheidende Verbandsvorsitzende Fritz Kahl schreitet die Reihen der angetretenen Feuerwehren am 15. April 1934 in Weilburg/Lahn ab.  Dies war der letzte öffentliche Auftritt des Verbandes bis zur Wiedergründung 1948.

Am 15. April 1934 fand in Weilburg a.d. Lahn ein außerordentlicher Verbandstag statt, dem eine Übung der Freiwilligen Feuerwehr Weilburg auf dem Marktplatz vorausging. Zum letzten Mal tagten die Delegierten des Verbandes, um die Überleitung ihrer Organisation in den "Provinzialfeuerwehrverband Hessen-Nassau" vorzunehmen. Der Vorsitzende Fritz Kahl stellte in seiner Rede fest, dass man mit Bedauern von der alten Idee scheide, finde sich aber im Gedanken an ein geeintes Deutschland damit ab. Man füge sich dem Befehl des Reichskanzlers. Darum sei man zusammengekommen, um zu beschließen, dass der Nassauische Feuerwehrverband aufgehört habe zu existieren. Wörtlich fügte Kahl hinzu: "Es gilt nun weiter zu arbeiten im Sinne unseres Wahlspruches: Einer für Alle und Alle für Einen. Wenn auch der Name des Nassauischen Feuerwehrverbandes verschwindet, das Ideal des Nassauischen Feuerwehrverbandes bleibt bestehen”.

Auflösung des Nassauischen Feuerwehrverbandes 1934 auf dem Marktplatz in Weilburg anlässlich des Verbandstages a, 15. April 1934Bild oben: Auflösung des Nassauischen Feuerwehrverbandes 1934 auf dem Marktplatz in Weilburg anlässlich des Verbandstages am 15. April 1934

Die Uniformierung der Freiwilligen Feuerwehr wurde einheitlich geregelt. Die Grundfarbe blieb blau; Mütze und Uniformrock erhielten Polizeieinheitsabzeichen. An allen Kundgebungen und Aufmärschen mussten die Freiwilligen Feuerwehren in Uniform geschlossen teilnehmen. Brände fragen aber nicht nach Religion oder politischer Einstellung. Doch gerade die politische Einflussnahme wurde zu einer zusätzlichen Belastung für die Feuerwehr, die dadurch nicht mehr Sinnbild des freien Bürgerwillens war. Die Folgen zeigten sich in der "Reichskristallnacht" vom 9. auf den 10. November 1938, als den Berufsfeuerwehren und den Freiwilligen Feuerwehren verboten wurde, die Synagogen in ihrem Löschbereich vor den Flammen zu retten. Da es sich bei den Bränden um eine vorbereitete Aktion gegen Juden handelte, sollte sich die Feuerwehr auf den Schutz der Nachbargebäude beschränken. Das Gesetz über das Feuerlöschwesen vom 23. November 1938 (Reichsfeuerlöschgesetz) schaltete die bisherige Selbständigkeit der Freiwilligen Feuerwehr völlig aus. Es beinhaltete die Schaffung einer vom Führerprinzip geleiteten, von geschulten Kräften geführten Polizeitruppe unter staatlicher Aufsicht. Die Freiwilligen Feuerwehren wurden im ganzen Reich zur Hilfspolizeitruppe.

"Luftschutz tut not". Schon in der Weimarer Republik gab es Luftschutz und Übungen ganzer Provinzen. In seinem Buch "Brandbomben" (Berlin 1932) erinnerte Brandingenieur Hans Rumpf an die gegnerischen Bombenangriffe auf das rheinische Gebiet im Ersten Weltkrieg und sagte Bombenangriffe eines zukünftigen Krieges, die ganz Deutschland erfassen würden, im Wesentlichen zutreffend voraus. Seine Hinweise beeinflussten auch die Umwandlung der Feuerwehr in den "Sicherheits- und Hilfsdienst" mit Beginn des Zweiten Weltkrieges. Die Nationalsozialisten griffen die Idee des "Luftschutzes" nach ihrer Machtübernahme konsequent auf. In den Jahren nach 1933 wurden im September so genannte "Feuerschutzwochen" unter dem Motto "Luftschutz tut not" eingerichtet. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges, am 1. September 1939, wurde der Luftschutz neu organisiert. Berufsfeuerwehr, Freiwillige Feuerwehr und aufgrund der Notdienstverordnung herangezogene Ergänzungskräfte bildeten die Fachsparte "Feuerlösch- und Entgiftungsdienst" im "Sicherheits- und Hilfsdienst", später in "Luftschutzpolizei" umbenannt. Wie im Mittelalter wurden Handspritzen, Wassereimer, Feuerpatschen und Einreißhaken zur Brandbekämpfung eingesetzt. Wieder erscholl der verzweifelte Ruf "Wasser" bei fast jedem Brand nach Luftangriffen. Luftschutzpolizei, Werkluftschutz, Block- und Hausfeuerwehren kämpften verzweifelt gegen die um sich greifende Zerstörung. Bei diesen Einsätzen wurden die Feuerwehren und Hilfstrupps bis an den Rand der Leistungsgrenze belastet. Übernächtigt und erschöpft (oft gab es zwischen den Angriffen nur Pausen von wenigen Stunden) arbeiteten die Einsatzkräfte nach jedem Luftangriff stundenlang. Die Freiwilligen Feuerwehren der Städte und Gemeinden wurden wiederholt zu zahlreichen Einsätzen in die Großstädte Frankfurt, Offenbach, Darmstadt, Wiesbaden oder gar nach Mannheim zu überörtlichen Einsätzen herangezogen. Im Zweiten Weltkrieg wurden viele Feuerwehrmänner entweder zum Heeresdienst eingezogen oder zum Luftschutzdienst verpflichtet. Die Freiwilligen Feuerwehren hätten aufgehört zu bestehen, wenn nicht die Altersabteilungen den aktiven Feuerwehrdienst freiwillig wieder aufgenommen hätten und die noch nicht wehrpflichtige "Feuerwehr-HJ" (Feuerwehr-Hitler-Jugend) auch zum Löschdienst herangezogen worden wäre. Mit der Maßnahme eine Feuerwehr-Hitler-Jugend zu etablieren, wollte man dem akuten Kräftemangel begegnen. Es sollte dadurch auch der Feuerwehrnachwuchs sichergestellt werden. Es galt, den Grundstock für eine rein ideologisierte Feuerwehr zu legen, was mit dem Gedankengut der Freiwilligen Feuerwehren nichts mehr zu tun hatte. Nach einer Kurzausbildung schickte man diese jungen Menschen in den Einsatz. Nach jedem Bombenhagel waren sie zur Stelle, um die völlig überforderten Feuerwehrmänner im Kampf gegen das Flammeninferno zu unterstützen. Die alten wie die jungen Feuerwehrkräfte haben in dieser Zeit Großes geleistet.

Auf den Dienstplänen der Feuerwehren stehen nun neben der feuerwehrtechnischen Ausbildung zunehmend auch militärische Formalausbildungen wie Exerzieren, Marsch- und Geländeübungen. Mit Erlass vom 8. Mai 1938 wird der "Fußdienst" zum reichseinheitlichen Pflichtprogramm.

Gesetz über das Feuerlöschwesen 1938 - zum Vergrößern klicken (Quelle: www.lindenholzhausen.de)Nur vierzehn Tage nach den Pogromen an der jüdischen Bevölkerung, im Verlaufe der von den Nationalsozialisten neben anderen Grausamkeiten auch die Synagogen in Schutt und Asche gelegt wurden, erlässt die nationalsozialistische Reichsregierung am 23. November ein Reichsfeuerlöschgesetz. Dieses "Gesetz über das Feuerlöschwesen" wird in der Präambel unter anderem mit der wachsenden Bedeutung des Feuerlöschwesens für Verteidigungszwecke und den Luftschutz begründet. Es unterstellt die Feuerwehren als technische Polizeitruppe der Zuständigkeit des Reichsministers des Innern.

Gesetz zur Farbe der Löschfahrzeuge aus dem Jahr 1938 - zum Vergrößern klicken (Quelle: www.lindenholzhausen.de)Damit unterstehen diese der Befehlsgewalt des Reichsführers der SS und des Chefs der deutschen Polizei. So werden die Feuerwehren zur Feuerschutzpolizei gewandelt. Berufsfeuerwehren werden offiziell Feuerschutzpolizei (FschP) genannt. Die Feuerwehrfahrzeuge sind fortan nicht mehr in rot, sondern dunkelgrün zu lackieren. Die Freiwilligen Feuerwehren erhalten den Status einer Hilfstruppe der Ordnungspolizei, so heißt es zu Beginn des 2. Abschnittes: "Der freiwillige Dienst in dieser Hilfs-Polizeitruppe ist ein ehrenvoller, opferbereiter Einsatz für die deutsche Volksgemeinschaft". Zudem werden für die Freiwilligen Feuerwehren spezifische Dienstgradbezeichnungen eingeführt. Die Feuerschutzpolizeien sind nur noch dem Namen nach Einrichtungen der Kommunen, die jedoch die Kosten für Personal, Löschgeräte und sonstige Ausrüstungen tragen müssen. Die Dienstaufsicht haben die zentralen Dienststellen des Innenministeriums. Das Gesetz liquidiert in § 6 auch die bestehenden Vereine, die Kreisfeuerwehrverbände, die Provinzial- und Landesfeuerwehrverbände sowie den Deutschen Feuerwehrverband, was bis zur Unterzeichnung des Waffenstillstandes 1945 währt.

PfeilRückwärts zu: Ausbau des NFV

PfeilVorwärts zu: Wiedergründung