Vermisstensuche per Katwarn-App

Darmstadt. Kinder, Jugendliche und verwirrte Erwachsene: Die Polizei sucht jedes Jahr in Hessen mehrere Tausend Menschen. Dabei hilft jetzt auch die Handy-App Katwarn. Eine umstrittene Neuerung ...

Polizei Umstrittene Neuerung – „Beitrag zum Wohle der Mitmenschen“

VON IRA SCHAIBLE (DPA)

Sie brauchen dringend Medikamente, sind orientierungslos, haben einen Suizid angekündigt – oder sind einfach noch zu jung, um allein unterwegs zu sein. Nach 6636 vermissten Minderjährigen und Erwachsenen hat die Polizei von Hessen aus im vergangenen Jahr gefahndet. Das waren 346 mehr als im Vorjahr. Seit April setzen die Ermittler bei der Suche nach Vermissten in einigen Fällen auch die Warn-App Katwarn für Smartphones ein – zum Ärger manches Nutzers. Auch in der Polizei selbst ist das nicht unumstritten.

Innenminister Peter Beuth ist vom Erfolg des Instruments jedoch überzeugt. „Der polizeiliche Einsatz von Katwarn bei der Vermisstensuche hat sich bewährt“, sagt der CDU-Politiker. Als Beispiele nennt er drei vermisste Kindergartenkinder in einem Wald bei Niederaula in Osthessen sowie eine 80 Jahre alte Frau aus Kassel. Beide seien auch mit Hilfe von Katwarn gefunden worden. Rund 20 Mal wurde die App bislang bei Vermisstensuchen in Hessen überhaupt verwendet, berichtet die zuständige Polizei in Offenbach.

Nutzer genervt

Viele Katwarn-Nutzer nerven solche Vermisstenmeldungen jedoch, auch die Warnungen vor falschen Polizisten oder anderen Trickdieben. Sie wollen von der App nur bei einem großen Unwetter oder in einem lebensbedrohlichen Notfall gewarnt werden – etwa bei einem Terroranschlag, einem Amoklauf, einem Gefahrengut-, Chemie- oder gar Atomunfall. Für Vermisstenmeldungen gebe es doch das Radio und Twitter, ist immer wieder zu hören. „Schon gar nicht wollen sie auf diesem Weg wissen, dass es auf dem Weihnachtsmarkt eine mobile Wache gibt“, heißt es bei der Polizei in Frankfurt über eingehende Beschwerden. Als Reaktion sei immer wieder zu hören: „Dann melde ich mich halt ab.“

Martin Schäfer von der Polizei in Fulda hält das für einen Fehler und bittet um Geduld. Die Warn-App werde weiter entwickelt und irgendwann würde jeder Meldungen nach seinen Bedürfnissen bekommen können. Kritiker sollten sich lieber mit konstruktiven Vorschlägen an die Polizei wenden, als die App zu löschen. Schäfer ist zudem überzeugt, dass die Vermisstenmeldungen per Katwarn für viele nur eine Frage der Gewöhnung sind.

Katwarn wird auch längst nicht bei jeder Vermisstensuche genutzt, sondern nur, wenn der Fall dringlich ist, betont Beuth. Er appelliert auch an die Menschlichkeit: „Die Nutzer können einen wichtigen Beitrag zum Wohle ihrer Mitmenschen leisten.“

Einsatzleiter entscheidet

Ob ein Fall für Katwarn geeignet ist, entscheidet der Einsatzleiter. „Im Gegensatz zu einer Alarmmeldung, wie sie bei einer lebensbedrohlichen Amoklage oder einem möglichen Anschlag abgesetzt wird, ertönt dabei auch nicht die Sirene des Systems“, sagt Beuth. Zu hören ist stattdessen ein Benachrichtigungston. Von den mehr als eine halbe Million Katwarn-Nutzern in Hessen bekämen auch längst nicht alle die Nachricht, dass irgendwo ein Mensch in Not gesucht wird. Sie gehe nur an die, die sich nach den Ermittlungen in der Nähe aufhielten.

So seien nach dem Verschwinden von drei Vierjährigen bei Niederaula im Mai 85 000 Katwarn-Nutzer informiert worden, berichtet der Sprecher des Innenministeriums. „Vor dem Hintergrund der erheblichen Gefahr wurde bewusst ein großflächiger Radius gewählt.“ Die Mädchen hatten bei einem Ausflug ihrer Kindergartengruppe in den Wald den Anschluss verloren. Ein ortskundiger Jäger und Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war von seinen Nachbarn informiert worden und machte sich dann mit seiner Frau auf die Suche nach den kleinen Mädchen. Dabei erhielt er weitere Informationen über die Katwarn-App und fand kurz darauf die drei vermissten Mädchen unverletzt abseits des Weges im Wald.

Eine 80 Jahre alte Frau wurde Mitte Juli in einer Seniorenwohnanlage in Kassel vermisst. Nur rund 4000 Menschen seien in ihrem Fall per Katwarn vom Verschwinden informiert worden. Denn die Frau, deren Orientierungsfähigkeit eingeschränkt ist, wurde im Umfeld ihrer Wohnanlage oder im Stadtgebiet vermutet. Nach der Katwarn-Meldung seien erheblich mehr Anrufe bei der Polizei eingegangen, berichtet der Sprecher. Diese hätten dazu geführt, dass ein Bewegungsbild der Frau erstellt werden konnte, das den Fahndungskräften bei der Koordination half: Sie fanden die Frau schließlich wohlbehalten in einer anderen Wohnanlage.

Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.