Retter in Gefahr

Hessen. Angesichts von immer mehr Angriffen auf Rettungskräfte, die auch das Bundesland Hessen erschüttern, fordert Innenminister Peter Beuth, die Mindeststrafe auf sechs Monate zu verdoppeln ...

Aggression Immer mehr Übergriffe auf Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste

VON GERHARD KNEIER

Wiesbaden. Übergriffe auf Polizei, aber auch Rettungsdienste und die Feuerwehr haben in den letzten Jahren bundesweit, aber auch in Hessen, deutlich zugenommen. Nach Angaben des Innenministeriums in Wiesbaden wurden im Jahr 2017 landesweit allein rund 3500 Angriffe auf Polizeivollzugsbeamte verzeichnet. Ressortchef Peter Beuth (CDU) sagt: „Die Zunahme von Übergriffen auf unsere Einsatzkräfte ist Mahnung und Weckruf zugleich.“ Auf Angriffe müssten deshalb unmissverständliche Verurteilungen folgen. Der hessische Innenminister verzeichnet als Erfolg, dass die Mindeststrafe dafür auf seine Initiative hin jetzt bundesweit drei Monate Haft beträgt. Doch Beuth will noch mehr. Im Gespräch mit dieser Zeitung setzt er sich für eine weitere Erhöhung auf mindestens sechs Monate Freiheitsentzug ein.

Nach der hessischen Kriminalstatistik stieg die Zahl der Angriffe auf Polizeibeamte zwischen 2014 und 2017 von 3207 auf 3512 deutlich an. Die Zahlen für 2018 liegen noch nicht vor. 2015 wurden landesweit 3071 derartige Übergriffe registriert, 2016 waren es 3468. Rettungskräfte wurden im Jahr 2017 in Hessen 53 mal angegriffen – immerhin etwas seltener als in den Vorjahren (2014: 68, 2015: 76, 2016: 74 mal). Und Einsatzkräfte der Feuerwehr waren 2017 in Hessen 8 mal Ziel solcher Übergriffe (2014: 6, 2015: 14, 2016: 7 mal). Den Angaben des Innenministeriums in Wiesbaden zufolge finden 90 Prozent der Übergriffe gegen Polizeibeamte im normalen Einzeldienst statt, vor allem in den Abendstunden und wenn Alkohol im Spiel ist. Oftmals spielten da Respektlosigkeit und auch Imponiergehabe eine wichtige Rolle.

Rote Linie

Politische Motive treten demgegenüber heute eher in den Hintergrund. Ausgangspunkt von Beuths Ruf nach härteren Strafen für derartige Taten waren dagegen noch die schweren Ausschreitungen rund um die Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt im März 2015, als linksextremistische Täter regelrecht Jagd auf Polizisten gemacht, mehrere Beamte verletzt und Polizeiautos in Brand gesteckt hatten. Der hessische Innenminister nahm dies zum Anlass, sowohl einen verbesserten Schutz der Einsatzkräfte als auch verschärfte strafrechtliche Sanktionen zu fordern.

Der Bund griff schließlich die hessische Gesetzesinitiative zu einem entsprechenden „Schutzparagrafen“ auf und goss sie im April 2017 in Gesetzesform. „Mit dieser Entscheidung werden die Frauen und Männer, die sich tagtäglich vor uns stellen und oftmals unter Einsatz ihrer eigenen Gesundheit oder gar ihres Lebens die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleisten, noch ganzheitlicher geschützt“, resümiert das Wiesbadener Ministerium. Die Mindeststrafe wurde in dem neuen Gesetz auf drei Monate Haft festgesetzt. Der hessische Entwurf hatte dagegen mindestens sechs Monate vorgesehen. Beuth sieht die Neuregelung dennoch als Erfolg an. Auch drei Monate Mindeststrafe seien ein klares Signal an alle potenziellen Straftäter.

Wer Gewalt gegen Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte ausübe, dürfe „nicht mehr mit einer Geldstrafe davonkommen“, betont der CDU-Politiker und fügt hinzu: „Damit wird auch eine klare rote Linie gezogen. Der Staat muss diejenigen schützen, die täglich im Einsatz für jede Bürgerin und jeden Bürger sind.“ Gleichwohl „spreche ich mich nach wie vor für eine Mindeststrafe von nicht weniger als sechs Monaten für Angriffe auf Einsatzkräfte aus“, betont Beuth heute. Bereits im Gesetz verankert sind dagegen andere Forderungen seiner ursprünglichen Initiative. Dazu gehören neben der Einführung einer Mindestfreiheitsstrafe etwa die Entkopplung der Strafbarkeit von der Vollzugshandlung, so dass auch Angriffe geahndet werden können, die nicht unmittelbar in Zusammenhang mit dem aktuellen Einsatz eines Polizisten stehen. Hinzu kommt die Einbeziehung von Feuerwehrleuten, Katastrophenschützern und Rettungsdiensten in den speziellen Schutz der neuen Regelung.

Ausrüstung verbessern

Neben dem Strafrecht soll aber auch die Ausrüstung der Polizeibeamten deren Schutz verbessern. Das hessische Innenministerium verweist vor allem auf die Body-Cams, also im Einsatz von den Polizeivollzugsbeamten am Körper getragene Kameras, die ihr jeweiliges Gegenüber filmen. Diese hätten sich als Einsatzmittel mit stark präventivem Charakter bewährt, betont das Ministerium. 100 solcher Schulterkameras sind bereits im Einsatz, 300 weitere sollen hinzukommen. Und Polizisten mit diesen Schulterkameras, so das erste Fazit, würden seltener angegriffen.
Rettungskräfte Skandalöse Angriffe

Die Bilder sind auch fast vier Jahre später noch höchst erschreckend: Ein Brandsatz wird auf ein Polizeiauto geworfen, in dem noch Beamte sitzen. Steine fliegen gegen Feuerwehrleute. Und auch Rettungssanitäter werden im Einsatz behindert und sogar verletzt. Was sich am 18. März 2015 vor der Eröffnung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt abspielte, hatte mit der verfassungsmäßig garantierten Ausübung des Demonstrationsrechts nichts mehr zu tun. Da ging es um Randale, Hass und blanke Gewalt. Mit den brutalen Bildern begann die politische Diskussion über eine gesetzliche Regelung zum Schutz von Einsatzkräften und eine Verschärfung des Strafrechts.

Besonders engagiert war dabei der hessische Innenminister Peter Beuth, der von Anfang an eine Mindeststrafe von sechs Monaten gegen solche Übergriffe forderte. Die konnte der CDU-Politiker zwar nicht durchsetzen, doch einen Schutzparagrafen gibt es inzwischen – mit einer Mindeststrafe von drei Monaten Haft und besonderen gesetzlichen Regelungen, die auch Polizeibeamte außerhalb eines aktuellen Einsatzes sowie eben Feuerwehrleute und Rettungskräfte betreffen. Es dauerte lange, bis die Gesetzesänderung zwei Jahre nach den EZB-Krawallen in Kraft treten konnte. Dass man das Demonstrationsrecht auch friedlich und damit viel wirksamer wahrnehmen kann als durch Gewalt, zeigten noch am EZB-Eröffnungstag die ohne Krawall verlaufene Kundgebung linker Gruppen auf dem Römerberg und der ebenfalls weitgehend friedliche Protestmarsch durch die Innenstadt. Der 18. März 2015 ist inzwischen Geschichte, doch leider hat sich damit das Problem von Angriffen auf Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte keinesfalls erledigt. Mehr als 3500 solcher Übergriffe wurden allein in Hessen auch 2017 noch auf Polizeibeamte registriert. Hinzu kamen 53 auf Rettungskräfte und acht auf die Feuerwehr.

Dabei geht es inzwischen weniger um Politik, jetzt spielen Respektlosigkeit und fehlgeleitetes Imponiergehabe die Hauptrolle. Dass man diesem Phänomen mit immer höheren Mindeststrafen erfolgreich zu Leibe rücken kann, steht zu bezweifeln. Derartigen Exzessen geht kaum die rationale Überlegung voraus, ob man sie bei mindestens drei Monaten noch wagen kann, aber bei einem Minimum von sechs Monaten lieber bleiben lässt. Und die Gerichte haben ja nach oben einigen Spielraum, jedem Einzelfall mit einer angemessenen Strafe bis zu fünf Jahren gerecht zu werden. Es geht schließlich weniger um drei oder sechs Monate Haft für den Eierwurf bei einer Demonstration als um viel schlimmere Gewalttaten mit verletzten Einsatzkräften, übrigens auch bei und am Rande von Fußballspielen.

Viel wichtiger und wirksamer ist die effektive Ausstattung der Polizei, sowohl mit Schutzkleidung als auch beispielsweise Body-Cams, die durch das Filmen des Gegenübers meist schon eine abschreckende Wirkung erzielen. Und es ist auch eine gesellschaftliche Aufgabe, mehr Verständnis und auch Unterstützung für diejenigen zu wecken, die schließlich zu unserem Schutz Tag und Nacht im Einsatz sind und auf die jeder einmal angewiesen sein kann. Das kann ein Rettungssanitäter, ein Feuerwehrmann und natürlich auch ein Polizist sein. Gewalt gerade gegen sie ist mehr als verwerflich.

Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.