Schluss mit N wie Nordpol

Berlin/Karlsruhe. Jahrzehnte sorgten sie für Klarheit beim Buchstabieren - jetzt haben Anton, Berta und Cäsar ausgedient. Das Deutsche Institut für Normung (DIN) hat sich die Norm "Diktierregeln" vorgenommen - und damit die Buchstabiertafel ...

RECHTSCHREIBUNG - Experten erarbeiten derzeit eine neue Buchstabiertafel

"Wir rechnen mit einer Veröffentlichung des Entwurfs im dritten Quartal", sagt Julian Pinnig vom Institut. Ein gutes Dutzend Experten befasst sich mit den Bezeichnungen für die Buchstaben.

Bezeichnungen für die einzelnen Buchstaben sind noch geheim. Nur so viel: Künftig sollen Städte statt Vornamen die richtige Schreibweise von Wörtern, Mailadressen oder Aktenzeichen sichern. Statt W wie Wilhelm könnte es dann Wiesbaden oder Worms heißen. In Frage kommen Städte, die klar unterscheidbar sind und die Vielfalt des Landes abbilden. Hintergrund ist auch die Veränderung der Gesellschaft. Eine Buchstabiertafel mit den bisherigen Vornamen spiegele die kulturelle Diversität der deutschen Bevölkerung nicht wider.

Ausgelöst hat die Reform Michael Blume, Baden-Württembergs Antisemitismusbeauftragter. In der Tafel steckten Relikte aus der Zeit der Nationalsozialisten. Die hatten 1934 alle jüdischen Namen entfernt: Aus David wurde Dora, aus Nathan Nordpol, aus Samuel Siegfried. Zwar wurde die Tafel nach 1945 einige Male überarbeitet. Doch Nathan blieb draußen, Nordpol drin. Nordpol klingt unverdächtig, ist aber für Blume ein Beispiel, wie Antisemitismus funktioniert. "Es gibt viele Bereiche, die von den Nazis vergiftet wurden. Sie werden zu Traditionen, über die niemand mehr nachdenkt." Der Nordpol sei der Ort, "von dem nach der alternativen Geschichtsschreibung der Nazis die Arier herkommen", sagt Blume. "Mit dem Wissen müssen wir den Nordpol aus der Buchstabiertafel streichen."

Weil sie ohnehin in die Jahre gekommen ist, haben die DIN-Experten gleich alles umgekrempelt. Feuerwehrleute, Sekretariate und andere Berufe hätten sich etwas aus ihrer Lebenswelt gewünscht. Dazu gehören Städte. Kathrin Kunkel-Razum, Duden-Redaktionsleiterin, erwartet, dass alte und neue Tafel eine Zeit lang parallel verwendet werden. Irgendwann könnte sich sogar eine internationale Tafel etablieren. dpa

Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.Hinweis: Verwendung der Artikel der Nassauischen Neuen Presse mit freundlicher Genehmigung der Frankfurter Societäts-Druckerei.