„Waldbrände sind nicht berechenbar“

FRIEDRICHSDORF. Gerade erst hat es tagelang am Altkönig gebrannt – insgesamt sind in diesem Jahr in Hessen bislang bereits zehn Hektar Wald bei 27 Bränden verbrannt ...

Carsten Lauer vom Landesfeuerwehrverband über die Zunahme der Brände und Herausforderungen bei deren Bekämpfung

Kreisbrandinspektor Carsten Lauer (53) aus Friedrichsdorf ist im Landesfeuerwehrverband Experte für Waldbrände und spricht im Interview darüber, warum diese besonders gefährlich für die Einsatzkräfte sind und wie die Feuerwehr mit immer knapperen Wasserressourcen umgeht.

Herr Lauer, bislang mussten die Feuerwehren vor allem brennende Häuser löschen, in den vergangenen Monaten kommt es immer häufiger zu Waldbränden. Wie unterscheidet sich die Brandbekämpfung hier?

Der Unterschied zum Brand in einem Gebäude: Dort wissen wir zwar auch nie so genau, welche Gefahren uns erwarten. Aber wir können das Brandgeschehen in der Regel räumlich gut eingrenzen. Waldbrände sind nicht so berechenbar. Hier spielen viele Faktoren eine Rolle: Welcher Baumbestand ist es – sehr harzige Bäume können sich schneller entzünden. Beim Brand am Altkönig haben wir gerade erst wieder bemerkt, welche Rolle die Topografie spielt: Wenn wir Steillagen haben, ist eine direkte Brandbekämpfung schwierig, weil wir schlecht rankommen. Und auch die Ausbreitungsgeschwindigkeit nach oben ist dann relativ hoch – ein Feuer kann sehr schnell den Berg „rauflaufen“. Der Wind macht uns die größten Probleme, er weht ja nicht beständig in eine Richtung. Je nach Intensität des Waldbrands können dabei auch starke Wechselwinde entstehen. Dann ist es für Feuerwehrleute, die im Nahbereich eingesetzt werden, gefährlich, weil ihnen der Weg abgeschnitten werden kann. In Kanada, Amerika oder Südeuropa kommen immer wieder Einsatzkräfte ums Leben, weil sie vom Feuer eingeschlossen wurden.

Welche Regionen in Hessen sind besonders gefährdet?

Wir hatten natürlich schon immer mit Waldbränden zu tun. Bis zum vergangenen Jahr waren das aber vor allem Brände im Wald. Meistens Bodenfeuer, gelegentlich war auch mal der ein oder andere Baum betroffen. Richtig große Waldbrände, wo auch Wipfelfeuer mit entstehen – also der ganze Baum brennt und sich das Feuer auch über die Wipfel ausbreiten kann – kannten wir sonst überwiegend in Brandenburg. Aber seit vergangenem Jahr eben auch vermehrt bei uns. Mittlerweile sind tatsächlich fast alle hessischen Regionen gefährdet. Als Hochrisikobereiche gelten beispielsweise der Taunus oder das hessische Ried. In anderen Bereichen, beispielsweise im Werra-Meißner-Kreis, ist das etwas abgeschwächt.

Wir haben in Hessen nicht nur vermehrt Waldbrände, sondern auch immer weniger Wasser. Wie wirkt sich das auf die Arbeit der Feuerwehren aus?

Beispielsweise ist bei uns im Taunus, der zum rheinischen Schiefergebirge gehört und deshalb wenige Wasseransammlungen hat, Grundwasser sehr gering. Es versickert sehr tief, sodass wir kaum natürliche Wasserquellen haben, die wir anzapfen können. Da ist das Land mit Hessen Forst dabei, zusätzliche Möglichkeiten für Wasserentnahmen zu schaffen. Zum Löschen nehmen wir normalerweise Trinkwasser – mittlerweile ein kostbares Gut. Bei den enormen Mengen, die wir beim Löschen von Waldbränden benötigen, versuchen wir deshalb jetzt mehr und mehr Brauchwasserquellen anzuzapfen. Am Altkönig haben wir beispielsweise zwei landwirtschaftliche Großtanker mit je 30.000 Liter Brauchwasser eingesetzt. Da zeigt sich dann aber, dass wir auch unsere Technik auf Brauchwasser umstellen müssen. Denn die Düsenschläuche haben relativ feine Düsen, damit das Wasser fein verteilt werden kann. Die Düsen setzen sich bei ungefiltertem Wasser relativ schnell mit dem Schmutz zu. Das ist auch immer ein Abwägungsprozess: Viele Kommunen haben in den Sommern schon Wasserknappheit – kann ich denen jetzt das Trinkwasser abziehen?

Braucht es für die Waldbrandbekämpfung andere Ausrüstung?

Bei Waldbränden muss sehr viel handwerklich gearbeitet werden – nur Wasser draufschütten bringt da nichts. Die Glutnester sitzen in der Regel tief im Boden, und der obere Teil des Bodens muss abgetragen oder umgegraben werden. Dafür gibt es spezielle Werkzeuge. Die normale Einsatzbekleidung ist auf die Innenbrandbekämpfung ausgelegt und sehr schwer und dick. Das ist bei 35 oder 40 Grad im Sommer eine zu hohe Belastung bei der Waldbrandbekämpfung. Deshalb haben wir dafür einen leichteren Dienstanzug. Wir nutzen bei Waldbränden zudem sehr viel Drohnen, auch mit Wärmebildkameras. Damit können wir uns einen guten Überblick verschaffen über Bereiche, die wir schlecht begehen oder überblicken können. Seit vergangenem Jahr spielen erstmals auch Hubschrauber eine verstärkte Rolle, die Hubschrauber der Polizeifliegerstaffel können Wasser dort abwerfen, wo man überhaupt nicht hinkommt.

Einsätze bei Waldbränden laufen manchmal über Tage hinweg, wie ist das für die Freiwilligen leistbar? Stoßen Sie da auch an Personalgrenzen?

Bei solchen Einsätzen arbeiten immer viele Feuerwehren gemeinsam, da wird nicht an Kommunengrenzen Halt gemacht.

Das funktioniert sehr gut, der Personaleinsatz ist ja auch häufig vorab planbar. Tatsächlich haben wir keine Nachwuchssorgen, die Jugendfeuerwehren sind während der Corona-Pandemie sogar gewachsen.

Was können Bürger tun, um den genauen Ort eines Waldbrandes zu melden?

Wichtig ist natürlich, dass Bürger, die einen Waldbrand melden, am Telefon bleiben und den Standort so gut wie möglich beschreiben können. Häufig funktioniert es gut, wenn man über Whatsapp den genauen Standort teilt oder auch über ausgeschilderte Notfallpunkte. Im Bereich des Feldbergs bekommen wir tatsächlich häufig sehr, sehr viele Meldungen, wenn es dort brennt.

Beispielsweise waren es beim Brand am Altkönig kürzlich mehr als 400 Notrufe – das legt dann natürlich die Leitstelle lahm. Deshalb geben wir bei solchen Bränden häufig eine Info über die Warn-Apps raus, dann weiß die Bevölkerung, dass der Brand bereits erfasst wurde. Für die Lokalisierung eines Brandes werden auch Hubschrauber eingesetzt, und wir erhalten auch Meldungen von der Flugsicherung, wenn Piloten ein Feuer auffällt.

Das Interview führte Nele Leubner.

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